«Wenn das nächste Kapitel in der Geschichte des Luxembourg Philharmonic einen Titel hätte, dann wäre es dieser», sagt der Konzertmeister Haoxing Liang schmunzelnd: «Herausforderung angenommen!» Nehmen wir die Herausforderung an! Ein Slogan, der wie ein Schlachtruf klingt, denn die Musikerinnen und Musiker bereiten sich darauf vor, die Saison 2025/26 ohne musikalischen Leiter zu erleben. Der junge Martin Rajna, Nachfolger von Gustavo Gimeno, der im Sommer 2025 nach einem Jahrzehnt der Veränderung beim Orchester ausschied, wird erst im Oktober 2026 erwartet.
In seiner 25-jährigen Karriere in Luxemburg bietet sich Liang erstmals eine solche Perspektive. Ist sie deshalb beängstigend? Ganz und gar nicht. «Wir freuen uns darauf und sind neugierig auf das, was uns erwartet», sagt er. Und seine Kollegin Seohee Min fügt hinzu: «Dieses Kapitel ist aufregend. Es wird das Orchester unabhängiger machen und ihm eine eigene Stimme verleihen.»
Gustavo Gimeno war zehn Jahre lang Architekt dieser Stimme. Die Handschrift des Maestro ist auch heute noch in vielen Details des Programms 2025/26 zu spüren. So werden die großen Symphoniker regelmäßig zu Ehren kommen, insbesondere Gustav Mahler, der im Zentrum dreier Konzerte steht, sowie Anton Bruckner und Dmitrij Schostakowitsch. Im Sinne der «Marke» Gimeno setzt das Orchester auch seinen Weg in die zeitgenössische Musik fort, insbesondere mit Vijay Iyer.
Neben dem musikalischen Inhalt wird das eigentliche Abenteuer der Saison 2025/26 darin bestehen, «jede Woche auf einen neuen Dirigenten zu reagieren und sich auf sie einzustellen», wie Seohee Min es ausdrückt. Sir John Eliot Gardiner, Renaud Capuçon, Leopold Hager, Paavo Järvi, aber auch Daniele Rustioni, Robin Ticciati und natürlich Martin Rajna, der seine zukünftige «Mannschaft» im März kennenlernen wird: Das Orchester wird zwischen Wiedersehen und neuen Begegnungen wechseln.
Ein künstlerisches Abenteuer, aber auch – und vor allem – ein menschliches, denn das Fehlen eines «Kapitäns» bedeutet eine Entblößung, die den Zusammenhalt fördert. «Mehr denn je sind wir füreinander verantwortlich», fasst es Haoxing Liang zusammen. Verantwortlich, zusammengeschweißt, solidarisch… Allein sind unsere Musikerinnen und Musiker also auf keinen Fall. Wie könnten sie auch, da sie mit oder ohne Dirigent wissen, dass sie sich aufeinander und natürlich auf ihr treues Publikum verlassen können.
Eva Klein