Die Bratschistin Tabea Zimmermann ist Artist in residence
Vor dem 20. Jahrhundert war das Repertoire für Bratsche recht kümmerlich, die «großen Namen» fehlten. Doch die neue Musik hat die spezifische Klangfarbe des Instruments für sich entdeckt, und engagierte Bratschist*innen haben sich dafür eingesetzt, dass neue Werke in allen möglichen Besetzungstypen für das Instrument geschrieben wurden. Tabea Zimmermann hat in diesem Zusammenhang besondere Sichtbarkeit erlangt und besondere Anerkennung für Ihr Engagement erhalten. 2020 erhielt sie den Ernst-von-Siemens-Musikpreis zugesprochen – in der Musikbranche kommt das einem Ritterschlag gleich.
Als Artist in residence wird sie in der Saison 2024/25 drei Mal zu Gast in der Philharmonie sein und in jeweils sehr unterschiedlicher Konstellation aufzeigen, wie sehr ihre Virtuosität und Musikalität bedeutende Komponisten dazu bewogen haben, eigens Werke für sie zu schreiben. Im Zentrum des Kammermusikprogramms, das sie mit Isabelle Faust und Jean-Guihen Queyras gestalten wird, steht die ausladende Solosonate von György Ligeti, der den Entschluss zur Komposition fasste, nachdem er Zimmermanns Spiel im Radio gehört hatte. Aus dem zweiten Kammermusikprogramm zusammen mit Christian Gerhaher und Gerold Huber wird zweifelsohne Wolfgang
Rihms intensives Stabat Mater für Singstimme und Bratsche (uraufgeführt 2020) markant herausstechen. Im Konzert mit dem Luxembourg Philharmonic schließlich spielt sie einmal mehr den Solopart in Georges Lentz’ Komposition Monh, die sie im Juli 2005 in der Philharmonie aus der Taufe gehoben hatte. Doch nicht nur Musik des letzten Vierteljahrhunderts wird erklingen, der Blick in frühere Epochen eröffnet immer wieder neue Perspektiven auf die Werke, die für Zimmermann geschrieben wurden. So wird im ersten Kammermusikprogramm das Divertimento Es-Dur KV 583 von Mozart erklingen, dessen Bratschenpart Mozart für sich selbst geschrieben hatte und der die Bratsche sehr liebte – auch wenn er kein reines Solokonzert für sie schrieb. In der Programmation für die Residenz zeigt sich daher, was die Künstlerin Tabea Zimmermann auch im Allgemeinen ausmacht: sie lebt den Gedanken der Vielfalt, ist Fürsprecherin für Vergangenes und Gegenwärtiges und wird auch in Zukunft weiter von sich reden machen.
Christoph Gaiser